PD Dr. Alexandra Nieters beim Nationalen Biobanken-Symposium 2018, Copyright: TMF e.V.

PD Dr. Alexandra Nieters im Interview

Seit 2018 ist die studierte Biologin und Epidemiologin PD Dr. Alexandra Nieters Leiterin der FREEZE-Biobank – der Serviceeinrichtung für Biobanking am Universitätsklinikum Freiburg und der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sie ist außerdem als Epidemiologin am Institut für Immundefizienz des UKF tätig. Im Jahr 2019 lagerten rund 135.000 Bioproben in der FREEZE-Biobank und ihren dezentralen „Hubs“. GBN hat mit Alexandra Nieters über die ersten Jahre der Biobank, ihre Erfahrungen in der German Biobank Alliance und über das Biobanking in Zeiten von Covid-19 gesprochen.

Wie sind Sie zum Biobanking gekommen?

Nieters: Durch meine Arbeit an epidemiologischen Studien hatte ich schon zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn häufig mit Bioproben zu tun. Dabei wurde ich auf die Bedeutung ihrer Qualität für valide Forschungsergebnisse sehr schnell aufmerksam. Und auch darauf, wie wichtig es ist, sie in den Tiefen der Gefrierschränke überhaupt treffsicher auffinden zu können. Der Begriff Biobanking war mir damals noch nicht so geläufig. „Offizielle Biobankerin“ wurde ich durch meine Tätigkeit im Centrum für Chronische Immundefizienz an der Uniklinik Freiburg, die den Grundstein für meine jetzige Position als Leiterin der FREEZE-Biobank legte.

Wie wurde die FREEZE-Biobank ins Leben gerufen?

Nieters: Die Biobank wurde Ende 2018 auf Initiative der Medizinischen Fakultät und der Klinikumsleitung am UKF gegründet. Wir haben das große Glück, dass wir hier auf eine breite Unterstützung zählen können. FREEZE ist keine klassische zentralisierte Biobank. Für flüssige Proben etablieren wir gerade einen zentralen Bereich, ansonsten arbeiten wir mit dezentralen „Hubs“. Als Serviceeinrichtung für Biobanking sorgen wir für eine übergreifend koordinierte und harmonisierte Sammlung und Prozessierung der Proben. Im Centrum für Chronische Immundefizienz hatte ich bereits ein tolles Biobank-Team und konnte einige dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch für die FREEZE-Biobank gewinnen. Das hat dem Projekt viel Rückenwind gegeben.

Auf welchem Stand ist die Biobank anderthalb Jahre nach ihrer Gründung?

Nieters: Wir haben uns in der ersten Zeit auf das Thema Broad Consent konzentriert und konnten diese für den Aufbau von Krankheitskohorten so wichtige Grundlage für das UKF schaffen. Da unsere Biobank mit dezentralen Hubs zusammenarbeitet, war es besonders wichtig, die verschiedenen Bedarfe und Bedingungen der Kliniken kennenzulernen. Damit sind wir auch noch weiterhin beschäftigt. Auch die Anbindung der Hubs an unser Biobank-Informationsmanagement-System ist in vollem Gange. Die Schwierigkeit, IT-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst zu rekrutieren, ist hier leider ein Hemmnis. Sehr zu schätzen wissen wir den Austausch mit unseren Biobanking-erfahrenen Kolleginnen und Kollegen der CCCF-Tumorgewebebank am Standort, von denen wir viel gelernt haben.

Welche Herausforderungen und Chancen haben sich aus der Corona-Pandemie für die noch junge FREEZE-Biobank ergeben?

Nieters: Aufgrund der zunächst in Baden-Württemberg geltenden, sehr strengen Sicherheitsvorschriften für die Verarbeitung von Blutproben von SARS-CoV-2 infizierten Patientinnen und Patienten konnten wir nicht sofort selbst „biobanken“. Durch enge Kooperationen im Klinikum waren wir dennoch vergleichsweise schnell in der Lage, Proben von Infizierten am Standort einzulagern und für die Forschung bereitzustellen. Inzwischen können wir glücklicherweise, so wie die meisten anderen Biobanken in Deutschland, diese Proben weitgehend unter Bedingungen der gängigeren Sicherheitsstufe 2 verarbeiten und lagern. Unseren erst kürzlich durch die Ethikkommission bestätigten Broad Consent haben wir für den Aufbau einer Covid-19-Kohorte eingesetzt.

Was waren besonders drängende Fragen zu Beginn der Pandemie?

Nieters: Am wichtigsten war uns natürlich die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – das besondere Engagement in dieser Zeit sollte für niemanden ein Infektionsrisiko bedeuten. Die regelmäßigen Webkonferenzen mit der German Biobank Alliance waren hier eine unglaubliche Hilfe. Die Offenheit und der Kooperationswillen der Community sowie die rasche und professionelle Aufarbeitung der Themen durch das GBN-Team haben diese Besprechungen sehr wertvoll gemacht. Trotz der gerade in dieser Phase angespannten Lage war der Austausch immer von Arbeitseifer und Zuversicht geprägt. Das war eine tolle Erfahrung und gibt mir die Hoffnung, dass wir in unserem Verbund für weitere Herausforderungen sehr gut aufgestellt sind.

Welche Covid-19-Forschungsprojekte werden mit Unterstützung der FREEZE-Biobank durchgeführt?

Nieters: Wir sind beispielsweise in den Freiburger Teil der Covid-19-Familienkohorte von Prof. Philipp Henneke, Dr. Roland Elling und ihrem Team involviert, für die wir in enger Zusammenarbeit mit unserer Partnerbiobank Hilda der Freiburger Kinderklinik Serum und Blutzellen von Covid-19-Infizierten sowie deren Haushaltsmitgliedern für spätere immunologische Untersuchungen und weitere Forschungsvorhaben asservieren konnten. Innerhalb von einer Woche haben wir über 1.700 PBMCs von Erwachsenen und Kindern manuell prozessiert und eingefroren. Das konnten wir nur mit tatkräftiger Unterstützung leisten: Eine Kollegin aus der Immunologie, PD Dr. Marta Rizzi, stellte uns dafür spontan ihr halbes Team zur Verfügung. Diese Mammutaufgabe hat uns sehr zusammengeschweißt. Daneben sind wir auch in andere prospektive Forschungsprojekte unserer Infektiologen und Onkologen zu Covid-19 eingebunden – schließlich hatten wir viele Covid-19-Patientinnen und Patienten bei uns am UKF.

Hat sich das „Standing“ der FREEZE-Biobank am Standort seit Beginn der Pandemie verändert?

Nieters: Ich glaube, dass wir durch die Corona-Pandemie mehr Bekanntheit und Akzeptanz am Standort erlangt haben. Die Medizinerinnen und Mediziner haben erlebt, wie serviceorientiert wir sind. Wir haben versucht, fast alles zu ermöglichen – dazu zählte auch die Verarbeitung von Proben von frühmorgens bis nach Mitternacht. Trotz des ernsten Hintergrunds hat mir die Arbeit mit den Kolleginnen, Biobankern und Klinikerinnen viel Spaß gemacht. Ich wünsche mir, dass sich viele diesen Geist des Miteinanders bewahren können. Denn neben SARS-CoV-2 gibt es weitere „Gegner“ wie Krebs, Herzkreislauferkrankungen oder psychiatrische Erkrankungen, denen sich die Wissenschafts-Community mit vereinten Kräften noch stärker als bisher entgegenstellen sollte. Dafür setze ich mich ein und bin den vielen Patientinnen und Probanden dankbar, die unsere Projekte vertrauensvoll unterstützen. Ohne ihre Bioproben und Daten könnten wir auf keinem dieser Gebiete die Fortschritte erzielen, die wir dringend benötigen.

Was kann die Biobanking-Community aus der Corona-Krise lernen?

Nieters: Vernetzte Strukturen und effektive Teams, die diese Netzwerke koordinieren, sind für eine schnelle Reaktion auf solche Ereignisse essenziell. Föderale Strukturen für einige Belange leider eher weniger. Als Wissenschaftlerin und Mensch habe ich gelernt, wie wichtig es ist, gerade in diesen Zeiten wahrhaftig und mutig zu sein. Mein größter Respekt gilt jenen, die die Flagge der Wissenschaft gegen Anfeindungen und Ignoranz hochhalten und auch zugeben können, wenn sie sich einmal geirrt haben. Über wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich zu informieren, ist hier von zentraler Bedeutung. Und das gilt auch für das Gebiet des Biobankings.

 

Das Interview führte Verena Huth.

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