Wie verändert das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) seine Erbinformation? Welche weiteren Infektionen treten bei PatientInnen auf? Gibt es genetische Risikofaktoren, die eine Infektion begünstigen? Zahlreiche GenomforscherInnen sind intensiv damit beschäftigt, ihre Expertise und Sequenzier-Infrastruktur zu bündeln, um einen wissenschaftlichen Beitrag zur Bewältigung der Covid-19 Pandemie zu leisten. Diese Aktivitäten werden nun offiziell in der Deutschen Covid-19 OMICS Initiative (DeCOI) zusammengeführt, an der sich auch German Biobank Node (GBN) und German Biobank Alliance (GBA) beteiligen. „Um die Hochdurchsatzsequenzierung optimal zu unterstützen, haben DeCOI und GBN/GBA eine enge Zusammenarbeit vereinbart, um schnellstmöglich geeignete Bioproben in verschiedenen Biobanken ausfindig zu machen und für die Sequenzierung zur Verfügung zu stellen“, erläutert GBN-Leiter Prof. Dr. Michael Hummel.WissenschaftlerInnen von mehr als 22 Institutionen sind bereits DeCOI-Mitglieder – mit steigender Tendenz.
Sequenzierung: Virus-Genom und Metagenom
An vielen Orten der Welt wird inzwischen das Genom von SARS-CoV-2 sequenziert, um damit Veränderungen der Erbinformation des Virus zu charakterisieren. Je mehr solche Virusgenome sequenziert werden, desto besser können WissenschaftlerInnen die Variation des Virus verstehen und dessen Ausbreitung nachvollziehen. Mit der Analyse der Verwandtschaftsstruktur einzelner Viren lassen sich Rückschlüsse auf deren Herkunft und auf unterschiedliche Formen des Virus in der Bevölkerung ziehen. Neben der Sequenzierung der Virusgenome werden auch sogenannte Metagenome bestimmt, die etwas darüber aussagen, welche weiteren Infektionen bei PatientInnen mit Covid-19 möglicherweise auftreten. Um dieser Frage nachzugehen, wollen DeCOI-WissenschaftlerInnen bis zu 2.000 Metagenome bei Covid-19-PatientInnen in Deutschland sequenzieren.
Genetische Risikofaktoren
Eine DeCOI-Gruppe vermutet, dass es auch genetische Risikofaktoren gibt, die die Wahrscheinlichkeit sich zu infizieren oder die Schwere der Erkrankung beeinflussen können. Um genetische Risikofaktoren zu erkennen, müssen von vielen tausend PatientInnen Genome sequenziert werden. Prof. Dr. Markus Nöthen vom Universitätsklinikum Bonn: „Deshalb haben wir uns mit DeCOI frühzeitig auch mit unseren europäischen und internationalen Kollegen weltweit vernetzt.“
Multi-Omics-Analysen
Ziel der funktionellen Genomik ist es, ganze Organsysteme funktionell zu charakterisieren. Häufig werden dabei mehrere molekulare Ebenen der Regulation erfasst und kombiniert (Multi-Omics-Analysen). An mehreren Standorten in Deutschland werden diese Verfahren im Rahmen klinischer Studien genutzt, um zum Beispiel die Wirksamkeit neuer Medikamente gegen SARS-CoV-2 zu testen. „Mit Hilfe von Multi-Omics Analysen können wir schnell und umfassend bestimmen, welche biologischen Prozesse bei der Erkrankung selbst ausgelöst werden und wie diese durch Medikamente positiv beeinflusst werden können“, sagt Prof. Dr. Philip Rosenstiel von der Universität Kiel. Diese umfassenden Daten bieten zudem die Möglichkeit besser zu verstehen, warum manche Menschen schwer und andere leicht erkranken.
Einzelzell-Sequenzierung
Die noch sehr junge Einzelzell-Sequenzierung ermöglicht sehr vielversprechende Einsichten in das komplexe Geschehen im Körper der Erkrankten. DeCOI-ForscherInnen sind in großen internationalen Konsortien unter anderem daran beteiligt, die Verteilung der Rezeptoren auf den Zellen des Körpers zu bestimmen, die für den Eintritt des SARS-CoV-2 verantwortlich gemacht werden. Ziel ist herauszufinden, welche Immunzellen in Prozesse involviert sind, die besonders bei PatientInnen mit schweren Verläufen vorkommen, um neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln.
Verknüpfte Daten, vernetztes Wissen
Die Genomforschung produziert immense Datenmengen, die zur Auswertung der Forschungsergebnisse computergestützt analysiert werden. „Nur wenn wir klinische Daten und Genomdaten sinnvoll miteinander verknüpfen, werden wir möglichst viel zum Verständnis von Covid-19 beitragen können“, sagt Prof. Dr. Oliver Kohlbacher von der Universität Tübingen. „Durch den Zusammenschluss zur DeCOI sollten wir in der Lage sein, parallel viel mehr Fragen gemeinsam schneller beantworten zu können“, sagt Prof. Dr. Joachim Schultze vom LIMES-Institut der Universität Bonn und vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, der die Initiative zurzeit koordiniert. „Jetzt wird es wichtig sein, dass wir DeCOI mit weiteren Initiativen eng vernetzen, um weltweit fundiertes Wissen zur Bewältigung der Krise beizutragen.“
Weitere Informationen: