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Medizininformatik-Initiative: Das Konsortium SMITH

Prof. Dr. Markus Löffler leitet SMITH – eines der vier geförderten Konsortien in der Medizininformatik-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Abkürzung SMITH steht für „Smart Medical Information Technology for Healthcare“; das Konsortium umfasst 19 Partner aus Akademia und Industrie. Markus Löffler ist gleichzeitig Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) der Universität Leipzig. Er leitet außerdem das Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) sowie den Leipziger Ableger der NAKO-Gesundheitsstudie. Die Leipzig Medical Biobank, die für LIFE geschaffen wurde, ist Partnerin der German Biobank Alliance (GBA). Im Interview mit GBN berichtet Prof. Löffler über die Ausrichtung des SMITH-Konsortiums sowie über die Rolle der Biobanken in der Medizininformatik-Initiative.

Welche Ziele verfolgen Sie in der Medizininformatik-Initiative?
Markus Löffler:
In der MII arbeiten wir gemeinsam daran, Daten aus Krankenhäusern für die Forschung zu erschließen. Persönlich habe ich vor allem ein klinisch-epidemiologisches Interesse und möchte Informationen zur Situation der Krankenversorgung zugänglich machen. Krankenhausdaten sind leider weitgehend unstrukturiert. Ich möchte erreichen, dass man zum Beispiel leicht herausfinden kann, wie viele Adipositas-Patienten in einem Jahr behandelt wurden und welche Medikamente sie bekommen haben. Das ist zurzeit nicht möglich.

Können Sie die Ausgangssituation genauer beschreiben?
Löffler:
Arztbriefe, die in Krankenhäusern häufig als PDF-Dateien gespeichert werden, zeigen das Dilemma sehr deutlich. Aus medizininformatischer Perspektive sind diese Briefe ein Albtraum. Man kann sie unmöglich systematisch durchsuchen – und zwar aus zwei Gründen: Häufig sind sie ausschließlich in den Akten der Patienten abgelegt, weshalb man Arztbriefe gar nicht erst abfragen kann. Doch auch wenn das möglich wäre, hätte man das Problem, dass Suchen nach „Herzinfarkt“ auch Dokumente mit „Verdacht auf Herzinfarkt“ oder „Verdacht auf Herzinfarkt ausgeschlossen“ zutage fördern. Um auch solche Daten „mine-bar“ zu machen, also gewissermaßen aufzuschließen, brauchen wir intelligente Lösungen der Medizininformatik.

Und welche Lösungen haben Sie dafür?
Löffler:
In allen Konsortien bauen wir neue digitale Infrastrukturen auf – sogenannte Datenintegrationszentren. Wir leiten relevante Daten aus den Krankenhausinformationssystemen in diese DIZ aus und strukturieren sie dort. So können wir in Zukunft auch zwischen den Konsortien data sharing betreiben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Gleichzeitig arbeiten wir in SMITH an computerlinguistischen Verfahren, um die Dokumente für unsere Zwecke lesbar zu machen. Sie benötigen beispielsweise „Keywords“, andere Begriffe müssen dagegen ausgeblendet werden, um den Datenschutz zu wahren. Eine Suche darin soll letztlich wie eine Google-Abfrage funktionieren.

Mit welchen klinischen Anwendungsfällen beschäftigen Sie sich in SMITH?
Löffler:
Wir bearbeiten zwei klinische Use Cases. Im ersten geht es um die algorithmische Überwachung von Patienten auf der Intensivstation. Wir erheben ihre Vitalparameter und analysieren Ausreißer mithilfe künstlicher Intelligenz. Daraus entsteht ein automatisches Meldesystem, damit Ärzte im Bedarfsfall rasch reagieren können. Unser zweiter Use Case beschäftigt sich mit Antibiotikaresistenzen. Auch hier befinden wir uns in der Erhebungsphase. Ziel ist es, bei Auftreten einer bakteriellen Infektion mit hohem Sterblichkeitsrisiko die richtigen Antibiotika künftig schneller als bisher einsetzen zu können und gleichzeitig die Gabe unnötiger Antibiotika zu vermeiden. Für beide Anwendungsfälle benötigen wir die Datenintegrationszentren und demonstrieren mit ihnen gleichzeitig, dass diese DIZ funktionieren.

Worum geht es im dritten Use Case?
Löffler:
Dieser Anwendungsfall ist ein methodischer. Die entwickelten Werkzeuge helfen dabei, Abläufe in der Krankenversorgung zu erforschen und zu verbessern. Dafür ist es zum Beispiel notwendig, Fragen wie die eingangs erwähnte an ein System stellen zu können – nach bestimmten Patientengruppen und ihren Medikationen. Oder danach, ob es möglich ist, Laborparameter zu nutzen, um für Patienten kritische Situationen frühzeitig zu entdecken.

Wie geht es nach der jetzigen Förderphase weiter?
Löffler:
Das wissen wir noch nicht. Im kommenden Jahr, wenn alle vier Konsortien der Medizininformatik-Initiative offiziell begutachtet werden, ändert sich das vermutlich. Die Herangehensweisen der Konsortien sind durchaus unterschiedlich, in SMITH haben wir sehr stark auf Beteiligung aus der Industrie gesetzt, damit unsere Lösungen einen industriellen Standard erfüllen und es keine Haftungsprobleme gibt. Andere haben sich bewusst dagegen entschieden. Dieser Ansatz der Medizininformatik-Initiative, gleiche Ziele auf vier verschiedenen Wegen zu verfolgen, ist auch eine Absicherung. Sollten einzelne scheitern, gibt es immer noch alternative, funktionierende Konzepte.
Alle Konsortien sind in jedem Fall dazu angetreten, auch übergreifende Anwendungsfälle zu bearbeiten – mit ihren jeweiligen technischen Methoden. Ein Beispiel dafür ist ein Use Case zu seltenen Erkrankungen, an dem etwa zwanzig Universitäten beteiligt sind, oder ein weiterer, in dem sich 13 Partner aus allen Konsortien mit Themen der Arzneimittelsicherheit befassen. Ergebnisse aus diesen Anwendungsfällen liegen ebenfalls im nächsten Jahr vor, die die Interoperabilität zwischen den Konsortien demonstrieren werden.

Welche Rolle spielen Biobanken in SMITH?
Löffler:
Mit 27.000 Probanden der LIFE-Studie und 10.000 der NAKO hat Biobanking in Leipzig einen sehr hohen Stellenwert. Mit der Krankenversorgung haben die Teilnehmer dieser epidemiologischen Studien nichts zu tun.
Die Bühne von SMITH ist aber das Krankenhaus. Dabei gelangen natürlich im onkologischen oder kardiologischen Kontext Bioproben aus dem Bereich der Krankenversorgung in die Biobanken. Das entsprechende Record-Linkage ist hier für uns von großer Bedeutung. Die Zusammenarbeit mit der German Biobank Alliance ist insbesondere mit Blick auf die Kerndatensätze für Proben wichtig. Die GBA verfügt bereits über diese Kerndatensätze – wir müssen diese in die MII-Konsortien „einbauen“.


Das Interview führte Verena Huth.

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