Prof. Dr. Michael Hummel

„Zukünftig wird man europaweit nach Proben und Daten suchen können"

An vielen deutschen Unikliniken wurden in den letzten Jahren zentralisierte Biobanken aufgebaut, die qualitativ hochwertige Proben und Daten für die Forschung zur Verfügung stellen. Nun geht es darum, diese Biobanken zu vernetzen und Forschern – regional, national und international - zur Verfügung zu stellen. Prof. Dr. Michael Hummel treibt als Koordinator des German Biobank Nodes (GBN) die Vernetzung deutscher Biobanken voran. Prof. Hummel, wie verfolgt GBN diese Mission?

Michael Hummel: Die Vernetzung von Biobanken setzt drei wesentliche Komponenten voraus: zum einen eine IT-Infrastruktur, die es ermöglicht, über verschiedene Biobanken hinweg nach Proben zu suchen und biobankübergreifende Kollektive für Forschungsprojekte zusammenzustellen. Die zweite essentielle Voraussetzung sind Biomaterialien und Daten, die eine vergleichbare Qualität haben müssen. Nur so können aus verschiedenen Biobanken zusammengestellte Probenkollektive in einem Forschungsprojekt verwendet werden. Die dritte Komponente ist die Harmonisierung der ELSI-Aspekte.

GBN verfolgt die Mission, die zentralisierten Biobanken in Deutschland zu vernetzen, damit zukünftig biobankübergreifende Kollektive kombiniert mit klinischen Daten, für die biomedizinische Forschung genutzt werden können. Das wird die Forschung einen großen Schritt nach vorne bringen und dazu beitragen, die Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika zu beschleunigen.

Wie werden Sie das umsetzen?

MH: In den nächsten 3 Jahren werden durch die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 11 Biobankstandorte, die sich in der German Biobank Alliance (GBA) zusammenarbeiten und die Vernetzung der Biobanken erarbeiten und umsetzen. Mittel- und langfristig wird das dazu beitragen, Fördermittel und Ressourcen effektiver einzusetzen. Das Ganze erarbeiten wir nicht im Elfenbeinturm, sondern wir beziehen Forscher, Patienten und Kliniker aber auch die Öffentlichkeit, Förderinstitutionen, Politik, Medien sowie die Industrie von Anfang an mit ein.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Biobanken, die bisher nicht Teil der Förderung sind? 

MH: Die German Biobank Alliance (GBA) ist eine offene Struktur, die langfristig das Ziel hat, alle deutschen Biobanken unter einem Dach zu vereinigen. Aktuell nicht geförderte Biobanken können Teil dieser Allianz werden, wenn sie sich die Vereinbarungen, wie sie der Konsortialvertrag vorgibt, befolgen. Je nach Voraussetzung können diese Biobanken aktiv sowohl an der GBA IT-Struktur als Teil des Netzwerk als auch zunächst auf informeller Ebene teilnehmen. Für letztere sollen die in GBA entwickelten IT und QM Werkzeuge mithelfen, sedass auch ohne externe Förderung zu einem späteren Zeitpunkt aktiv am Netzwerk teilnehmen können.

Welche Rolle nimmt Deutschland im europäischen Biobankenraum ein?

Wir spielen im europäischen Kontext als deutsche Community eine ganz erhebliche Rolle. Deutschland ist über den deutschen Biobankenknoten (GBN) sehr aktiv in viele Aktivitäten von BBMRI-ERIC eingebunden. Wir beteiligen uns über GBN beispielsweise an der Ausarbeitung von Qualitätsrichtlinien, am Common Service ELSI und am Common Service IT. Es gibt mehrere deutsche Arbeitsgruppen, die zusammen mit IT Experten aus anderen BBMRI M;itgliedsstaaten mit Hochdruck daran arbeiten, dass entsprechende IT-Strukturen auf europäischer Ebene vorangetrieben werden. Ich selbst habe die Ehre, als Direktor des BBMRI-ERIC  Common Service IT diese Aktivitäten zu orchestrieren. Zukünftig werden wir neben den aggregierten Daten im sogenannten Directory auch mit einen sogenannten Sample Locator über europäische Biobanken hinweg auf der Probenebene nach geeigneten Proben und Daten suchen können. Nach dem Auffinden von potentiellen Biomaterialen unterstützen wir auch den nächsten Schritt, nämlich die Präzisierung der Anfrage und Bereitstellung von Proben und Daten, durch den „Negotiator". Dieses Werkzeug wurde bereits entwickelt und in Kürze zunächst für Suchen über das Dierctory eingesetzt.

Die 2017 beginnende GBA Förderung wird im europäischen Ausland aufmerksam verfolgt. Deutschland nimmt mit der GBA eine beispielhafte Rolle für zahlreiche länder in Europa ein. Wir sind also schon jetzt in der europäischen Welt sehr gut angekommen und das wird durch GBA mit Sicherheit noch weiter ausgebaut.

Wie werden Biobanken in 10 Jahren arbeiten?

Rechnet man heutige Entwicklungen hoch, dann ist vorstellbar, dass Biobanken nicht nur Proben sammeln, sie verarbeiten, lagern, verwalten und am Ende für die Forschung zur Verfügung stellen, sondern dass sie zukünftig in der Lage sein werden, Daten aus Bioproben zu generieren. Damit könnte es zukünftig möglich sein, dass nicht mehr die Proben selbst, sondern die Analysedaten zusammen mit den Meta- oder klinischen Daten für die Forschung zur Verfügung gestellt werden. Da sind unsere Kollegen im Norden und Westen Europas zum Teil schon weiter. Dort gibt es Projekte, in denen Biobanken die Generierung von Analysedaten vorantreiben, sodass der anfragende Forscher nicht mehr selbst die Analysen durchführen muss, sondern den Forschenden schon Daten zu diesen Proben zur Verfügung gestellt werden und Proben gegebenenfalls nur für ergänzende Untersuchungen benötigt werden.

Bis dahin stellt sich die Frage, inwieweit aus Forschungsprojekten generierte Daten von Biobankproben nur beim Forschungsprojekt verbleiben, oder ob diese extern generierten Daten wieder in die Biobanken zurückfließen, um sie – unter geregelten Rahmenbedingunegn - wieder der Forschungscommunity zur Verfügung zu stellen. Kurz gesagt: In Zukunft wird es sich immer mehr um Daten drehen und nicht mehr so sehr um die Bioproben. Das ist eine spannende Entwicklung.

 

Das Interview führte Wiebke Lesch.

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