BIH-Interview mit Michael Hummel

Dieses Interview erschien am 04.10.2022 auf der Website des Berlin Institute of Health (BIH).

BIH: Professor Michael Hummel ist Leiter der BIH Biobank Core Facility sowie des German Biobank Node und war beteiligt an der Erstellung eines Leitfadens für qualitätsfördernde Aspekte in der Medizin und Biomedizin. Herr Hummel, wie kam es dazu?

Michael Hummel: Bioproben und die dazu gehörenden Daten sind für die Forschungsqualität von zentraler Bedeutung. Durch meine Rolle als Leiter des German Biobank Node, der Dach-Organisation akademischer Biobanken in Deutschland, die in der German Biobank Alliance zusammenarbeiten, habe ich eine recht breite Sicht auf die nationalen und europäischen Rahmenbedingungen des Biobankings. Ich freue mich, dass die DFG mich deshalb eingeladen hat, meine Erfahrungen in die Gestaltung des Leitfadens einzubringen.

Was ist denn das Problem mit der Qualität der DFG-Anträge in Medizin und Biomedizin? Oder gar mit den Forschungsergebnissen?

Hummel: Die wissenschaftliche Qualität von DFG-geförderten Projekten ist sehr hoch. Allerdings werden – oft aus Unkenntnis – vorhandene Infrastrukturen nicht ausreichend in die Projektplanung einbezogen. Dies führt im Bereich Biobanking dazu, dass für einzelne Projekte oftmals individuelle Bioprobensammlungen angelegt werden, anstelle lokal vorhandene zentrale Biobanken zu nutzen. Dadurch entstehen Probensammlungen, deren Qualität nicht immer internationalen Standards entsprechen und die nach Abschluss des jeweiligen Projekts keine „Heimat“ haben – nicht nachhaltig angelegt sind. Ganz zu schweigen davon, dass für solche Sammlungen unnötig neue Kühlgeräte angeschafft werden müssen, die häufig im Havariefall ohne Backup dastehen. Im Sinne der Probenspenderinnen und –spender ist es jedoch, dass wir ihre Bioproben entsprechend höchsten Qualitätsstandards behandeln, sie sicher verwahren und in möglichst breitem Umfang der biomedizinischen Forschung zur Verfügung stellen. Dies gewährleisten die zentralen Biobanken der German Biobank Alliance.

Das Ziel ist es, die Qualität von Forschungsvorhaben und die Replizierbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse zu erhöhen, wie kann das erreicht werden?

Hummel: Wenn Bioproben von unterschiedlicher Qualität, mit uneinheitlicher Dokumentation und verschiedenen Aufarbeitungen verwendet werden, sind diese nicht vergleichbar und die Forschungsdaten, die mit diesen Proben gewonnen wurden, nicht reproduzierbar. Die zentralen Biobanken in Deutschland arbeiten nach qualitativ hohen Maßstäben und verwenden harmonisierte Vorgaben. GBN und GBA führen regelmäßig Ringversuche durch, um die hohe Qualität von Proben und zugehörigen Daten dauerhaft zu sichern. Außerdem auditieren wir in die Biobanken kontinuierlich, um sie auf die Akkreditierung nach einer neuen internationalen Biobanken-Norm vorzubereiten. Wer mit dieser Biobankeninfrastruktur in Deutschland zusammenarbeitet, sorgt damit nicht nur für eine hohe Qualität und für die Verfügbarkeit der in Forschungsprojekten verwendeten Bioproben, sondern ermöglicht auch Standort-übergreifende Kooperationen und schafft die Grundlage für reproduzierbare Forschungsergebnisse.

An wen richtet sich dieser Leitfaden?

Hummel: An alle, die mit - humanen - Bioproben forschen. Dies umfasst sowohl solche Projekte, die prospektive Probensammlungen benötigen, als auch jene, die den Zugang zu bereits vorhandenen Proben suchen. Die Zusammenarbeit mit einer zentralen Biobank lohnt sich in beiden Fällen. Über ihre IT-Infrastruktur können die Biobanken auch die Verbindung zu klinischen Informationen herstellen – natürlich unter datenschutzrechtlich geprüften und ethisch konformen Bedingungen. Grundsätzlich ist aber das Handling nicht-humaner Bioproben durch die zentralen Biobanken ebenfalls möglich.

Wie können Gutachter*innen schon im Antrag erkennen, ob die Qualität des beantragten Forschungsvorhabens gewährleistet ist?

Hummel: Das entscheidende Merkmal besteht darin, dass der jeweilige Antrag die Zusammenarbeit mit einer zentralen Biobank vorsieht. Eine schriftliche Zustimmung der Biobank sollte beiliegen, die sowohl die Machbarkeit als auch die Kosten transparent darstellt. Sollten sich Fragen ergeben, die nicht über die Gutachterinnen und Gutachter geklärt werden können, steht GBN als neutrale Stelle gern unterstützend zur Verfügung. Natürlich kann es vorkommen, dass die zentralen Biobanken ein Forschungsprojekt nicht unterstützen können. In einem solchen Fall ist allerdings eine entsprechende Erläuterung der Antragstellerinnen und Antragsteller erforderlich und auch eine geeignete Stellungnahme der Biobank.

Und was müssen Antragstellende berücksichtigen?

Hummel: Sie sollten die Ausgestaltung des Biobankings klar beschreiben. Wann immer möglich, sollten Forscherinnen und Forscher hierfür auf vorhandene Infrastrukturen die lokal vorhandenen zentralen Biobanken zurückgreifen. Die Zusammenarbeit mit der zentralen Biobank müssten sie in ihrer Art und ihrem Umfang klar umreißen – einschließlich der zu erwartenden Kosten.

Erwarten Sie eine Abnahme an Anträgen oder an genehmigten Anträgen durch diese Maßnahme?

Hummel: Nein, es gibt keinen Grund, warum durch ein strukturiertes Biobanking die Anzahl der Anträge abnehmen sollte. Im Gegenteil. In einer Übergangszeit mag es zwar vorkommen, dass es Nachfragen zu Anträgen gibt, die zentrale Biobanken nicht berücksichtigen, oder dass diese noch einmal entsprechend angepasst werden müssen. Dies wird aber nach einer „Eingewöhnungsphase“ nur noch selten geschehen. Der große Vorteil und langfristige „Lohn“ besteht in einer deutlich höheren Qualität und besseren Verfügbarkeit von Bioproben und Daten sowie in aussagekräftigen und reproduzierbaren Forschungsergebnissen.

Weitere Informationen und Links:

Haben Sie Fragen?

germanbiobanknode@charite.de

Tel. +49. 30. 450 536 347


Fax +49. 30. 450 753 69 38

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