Dr. Gabi Anton (Mitte) moderiert den Vortrag von Dr. Ling Deng (rechts) an.

Mikrobiom – das bekannte Unbekannte

Das Mikrobiom spielt bei zahlreichen Krankheiten eine Rolle – zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, bei Hautekzemen oder Lungenleiden. Es wirkt sich sogar auf Organe wie zum Beispiel das Gehirn aus, zu denen es selbst gar keine direkte Verbindung hat. Zurecht ist es als Forschungsgebiet immer stärker in den Fokus gerückt. Um dabei verlässliche Ergebnisse zu erzielen, spielt die Technik der Probennahme und -lagerung eine große Rolle. Der German Biobank Node (GBN) lud am 15. September 2022 zu einem Workshop mit dem Thema „Biobanking in Microbiome Research“ ein, um Mikrobiom-Forscher*innen und Biobank-Vertreter*innen zusammenzubringen. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der Hannover Unified Biobank (HUB), Partner-Biobank der German Biobank Alliance (GBA). Rund 50 Interessierte aus Forschung und Biobanking nahmen teil.

Forschung bisher eurozentristisch

Dass für die Mikrobiom-Forschung nicht nur Stuhlproben interessant sind, sondern auch Hautproben, verschiedenste Abstriche sowie Biopsien, erläuterte Dr. Elke Rodriguez in ihrem Vortrag „The skin microbiome in health and diesease“. Die Forschung sei jedoch viel zu fokussiert auf den europäischen Raum, sagte Prof. Mathieu Groussin, der über „Biobanking the worldwide diversity of human-associated gut microbes“ sprach. Ziel der von Groussin gegründeten Initiative „Global Microbiome Conservancy“ sei es deshalb, Bioproben in verschiedenen Teilen der Welt zu sammeln. Auch gebe es einen Unterschied im Mikrobiom von städtischen Populationen im Vergleich zu ländlichen – es ist weniger divers. Die Gründe dafür seien jedoch noch nicht vollständig geklärt; Ernährungsgewohnheiten könnten eine Rolle spielen oder der Einsatz von Antibiotika. Um der Forschung eine differenziertere Probengrundlage zu bieten, soll für die umfangreiche Probensammlung der Initiative eine Biobank in Kiel aufgebaut werden.

Stoffwechselkrankheiten vorhersagen

In ihrem Vortrag „The gut microbiome, diet and cardiometabolic health” berichtete Dr. Cristina Menni über Ergebnisse aus der TwinsUK-Kohorte, die von dem renommierten Epidemiologen Prof. Tim Spector Anfang der Neunziger Jahre begründet wurde. So hätte die Predict-Studie Hinweise darauf geliefert, dass das Mikrobiom eines Menschen von den konsumierten Lebensmitteln beeinflusst wird. Bestimmte Mikroben im Darm seien darüber hinaus mit Biomarkern für Stoffwechselkrankheiten verknüpft. Mit diesen Markern stünde das Mikrobiom sogar in einem engeren Zusammenhang als zu genetischen Faktoren.

Komplexe Rolle der Bakteriophagen

Wie wiederum Bakteriophagen das Mikrobiom beeinflussen, diskutierte Dr. Li Deng in ihrem Vortrag „Peering into an unknown viral world: missing pieces in the study of virus-host interaction”. Bakteriophagen regulierten den Metabolismus, so Deng, indem sie Bakterien töteten oder durch horizontalen Gentransfer veränderten. Dies könne sie als „modernes Antibiotikum“ prädestinieren. Doch das Verständnis der Interaktionen zwischen Phagen und dem Mikrobiom stehe noch am Anfang – man könne sich einen Eisberg vorstellen, von dem zurzeit eine kleine Spitze sichtbar sei, der gigantische Rest aber noch unbekannt.

Neue Techniken für Probennahme notwendig

Prof. Dr. Burkhard Tümmler beklagte, dass Probennahmetechniken nicht zur Verfügung stünden, mithilfe derer dieses „bekannte Unbekannte“ erfasst werden könnte. Um zum Beispiel sämtliche Mikroorganismen in einer Stuhlprobe zu erhalten, müsste diese mit konventionellen Techniken binnen weniger Sekunden eingefroren werden. Auch deshalb sei zurzeit lediglich ein Blick auf die Spitze des Mikrobiom-Eisbergs möglich. „Die Mikrobiom-Forschung ist ein hochgradig komplexes Feld“, sagte Dr. Gabi Anton, Mitglied im Programmkomitee, abschließend. „Im Biobanking plädieren wir normalerweise stark für Standardisierung, doch in diesem Fall könnte es dafür noch zu früh sein. Jetzt gilt es, neue Methoden zu finden, um dem Unbekannten näherzukommen. Hier besteht dringender Forschungsbedarf.“

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