Erfolgreiche Projekte

Verändern Umweltfaktoren das menschliche Erbgut?

Dank präziser genetischer Analyse können Wissenschaftler*innen Risikogene identifizieren, die das Ausbrechen einer bestimmten Erkrankung wahrscheinlicher machen. Auch das Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt, das mitbestimmt, ob sich aus einer genetischen Risikokonstellation eine Erkrankung entwickelt, wird immer mehr erforscht. Ein Beispiel dafür ist eine europaweite Studie, die Kinder aus Bauernfamilien auf die Entstehung von Allergien und Asthma hin untersucht, und mit Altersgenoss*innen vergleicht, die nicht auf Bauernhöfen groß werden.

 

Bei Asthmatiker*innen finden sich bestimmte Genabschnitte im Erbgut, sogenannte Allele, die zum Risiko, ein Asthma zu entwickeln, beitragen. Kinder, die dieses Allel tragen, entwickeln bereits im Kleinkindalter sehr typische anhaltende Atemgeräusche – das Giemen. Sie erkranken deutlich häufiger an Asthma im Schulkindalter als Kinder, die nicht Träger*innen des Risikoallels sind. 

Im Rahmen der europaweiten PASTURE-Studie wurden Kinder von der Geburt bis ins Jugendalter regelmäßig auf die Entstehung von Allergien und Asthma hin untersucht, die in einem traditionellen Bauernhofmilieu aufwuchsen, und mit Altersgenoss*innen verglichen, die nicht in einer Bauernfamilie groß wurden. Das internationale Studienteam konnte bereits in Vorgängerstudien zeigen, dass Kinder, die auf traditionell wirtschaftenden Höfen lebten, selten an allergischen Erkrankungen oder an Asthma bronchiale litten. In diesen Untersuchungen zeigte sich, dass ein enger Kontakt zu Stalltieren, deren räumliche Nähe zum Wohn- und Schlafbereich sowie der regelmäßige Konsum nicht prozessierter Kuhmilch Bauernhofkinder vor allergisch-entzündlichen Krankheiten schützte. 

Geschützt trotz genetischer Veranlagung

Das Studienteam wollte nun wissen, ob der Schutz vor Asthma auch bei den Kindern greift, die als Träger*innen eines Risikoallels für Asthma besonders empfänglich für die chronische Lungenerkrankung sind. Sie untersuchten daher nur Kinder, die das entsprechende Allel aufwiesen, ob sie im Laufe der frühen Kindheit ein anhaltendes Giemen und/oder ein Asthma bronchiale im Schulkindalter entwickelten. Die Studie belegte, dass tatsächlich die Zahl der Asthmatiker*innen in der Gruppe der Bauernhofkinder signifikant niedriger lag als in der nichtbäuerlichen Vergleichsgruppe. Ein tiefer Blick in das Immunsystem der Kinder zeigte außerdem, dass die Immunantwort auf mikrobielle Keime bei den Kindern, die giemten oder Asthma entwickelt hatten, deutlich schwächer ausfiel als bei denen, die trotz genetischer Disposition nicht erkrankten. Die Wissenschaftler*innen führten dieses Ergebnis auf die starke Immunstimulation durch eine vielfältige Bauernhofmikroflora zurück, die auch Kinder mit genetischer Disposition zu schützen vermag.

Effekt frischer, nicht prozessierter Kuhmilch

Als nächstes fragte das Studienteam, ob der hier beobachtete Effekt einer spezifischen Bauernhofeinflussgröße zugewiesen werden konnte oder ob es die Summe der Bauernhoffaktoren ist, die den Schutz genetisch disponierter Kinder vermittelt. Die entsprechende Analyse der Studiendaten belegte, dass Kinder, die täglich nicht prozessierte, frische Kuhmilch tranken, eine aktive Immunantwort entwickelten und weniger häufig an Asthma erkrankten, als Kinder, die nicht in den Genuss dieser „Bauernhofmilch“ kamen. Die Forscher*innen schlossen aus ihren Ergebnissen, dass dieser Schutz über die orale Route und die Darmflora vermittelt sein musste. „Dieses Ergebnis konnten wir durch Analysen von Stuhlproben der Kinder stützen“, sagt Dr. Sabina Illi vom Institut für Asthma- und Allergieprävention am Helmholtz Zentrum München. „Diese zeigten, dass sich bei den Bauernhofmilch trinkenden Kindern spezielle Darmbakterien angereichert hatten, die immunstimulierende Stoffwechselprodukte produzieren.“ Dadurch aktivierte Immunzellen gelangen, so die Hypothese der Forscher*innen, über das Lymphsystem vom Darm in die Lunge, wo sie entzündliche Prozesse in den Bronchien unterbinden können.

„Zukünftige Untersuchungen sollen zeigen, ob der von der Bauernhofmilch ausgehende allergieprotektive Effekt die Risikoallele direkt stilllegt oder ob andere Mechanismen diesen Effekt vermitteln“, erläutert Prof. Dr. Erika von Mutius, Leiterin des Münchner Instituts für Asthma- und Allergieprävention. „Hier könnten neue vorbeugende Behandlungsmethoden ansetzen.“

Qualitätsgesichertes Biobanking der Studienproben

In biomedizinischen Langzeitstudien sind Wissenschaftler*innen auf die qualitätsgerechte Bearbeitung und Lagerung von Bioproben angewiesen, denn nur die fachgerechte und standardisierte Verwahrung des Probenguts garantiert eine valide und vergleichbare Bestimmung  von Messgrößen auch nach längeren Lagerzeiten. „Wir freuen uns“, sagt Prof. Dr. Dr. Petra Ina Pfefferle von der Comprehensive BioBank Marburg (CBBMR), „dass wir zum Gelingen der Studie beitragen konnten, und mein Team die Proben der Studie qualitätsgesichert betreut, die für die Bestimmung von immunologischen Markern wichtig sind.“

 

Bildnachweis: Adobe Stock

Wissenschaftliche Publikation

Illi S et al., Immune Responsiveness to LPS Determines Risk of Childhood Wheeze and Asthma in 17q21 Risk Allele Carriers. Am J Respir Crit Care Med (2022) DOI: 10.1164/rccm.202106-1458OC

 

 

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