Erfolgreiche Projekte

Gestörte Immunreaktion bei Covid-19

Bei schweren Krankheitsverläufen von Covid-19 ist die Immunantwort in einer Dauerschleife aus Aktivierung und Hemmung gefangen. Fachleute verschiedener Forschungseinrichtungen, darunter der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Universität Bonn, präsentierten diesen Befund gemeinsam mit KollegInnen des Forschungsverbundes DeCOI (Deutsche COVID-19 OMICS Initiative) im renommierten Wissenschaftsjournal „Cell“.

 

Die meisten Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verlaufen milde oder gar ohne Symptome. Jedoch entwickeln 10 bis 20 Prozent der Betroffenen im Verlauf der Covid-19-Erkrankung eine Lungenentzündung mit zum Teil lebensbedrohlichen Auswirkungen. „Man weiß noch immer wenig über die Ursachen dieser schweren Verläufe. Die hohen Entzündungswerte, die man bei den Betroffenen misst, sprechen eigentlich für eine starke Immunantwort. Klinische Befunde sprechen aber eher für eine ineffektive Immunantwort. Hier gibt es einen Widerspruch“, sagt Prof. Dr. Joachim Schultze von der Universität Bonn, der auch Forschungsgruppenleiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) ist. „Wir vermuteten daher, dass Immunzellen zwar in großer Menge produziert werden, sie jedoch in ihrer Funktion gestört sind. Deshalb haben wir das Blut von Patientinnen und Patienten mit unterschiedlicher Krankheitsschwere von COVID-19 untersucht“, berichtet Prof. Dr. Leif Erik Sander von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité.

Großangelegte Studie mit vielen PartnerInnen

Die Studie erfolgte im Rahmen eines bundesweiten Konsortiums – der „Deutschen COVID-19 OMICS Initiative“ (DeCOI) –, sodass sich die Analyse und Interpretation der Daten auf diverse Teams und Standorte verteilten. Fachleute der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Universität Bonn, des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) waren daran beteiligt. Prof. Schultze war als Koordinator in die Umsetzung des Projektes maßgeblich eingebunden.

Hohe Anforderungen an das Biobanking

Die Blutproben stammten von insgesamt 53 Frauen und Männern mit Covid-19 aus Berlin und Bonn, deren Krankheitsverlauf gemäß der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation in mild oder schwer eingeteilt wurde. Als wichtige Vergleichsgröße dienten Blutproben von Personen mit anderen viralen Atemwegsinfekten sowie von gesunden Personen. Um das Biobanking der Proben aus der Berliner Kohorte kümmerte sich die Zentrale Biobank Charité/BIH (ZeBanC). In der Partner-Biobank der German Biobank Alliance (GBA) werden Bioproben nach höchsten wissenschaftlichen Standards und unter ISO-zertifizierten Rahmenbedingungen einheitlich erfasst, verarbeitet und gelagert. Für die Untersuchungen der Studie kamen unter anderem Single-Cell-OMICs-Technologien zum Einsatz: ein Sammelbegriff für moderne Messverfahren, mit denen sich beispielsweise die Genaktivität und das Aufkommen von Eiweißstoffen für einzelne Zellen – und somit sehr genau – bestimmen lassen. „Ein wichtiger Aspekt des Biobankings für dieses Forschungsprojekt war die Vorbereitung von Blutproben für sogenannte CyTOF-Analysen. Dafür mussten wir lebende Blutzellen mit größter Präzision fixieren und aufarbeiten und dabei bestimmte Reaktionszeiten exakt einhalten, bevor wir die Zellen bei -80 Grad Celsius eingefroren haben“, sagt Dr. Denise Treue, Koordinatorin in der ZeBanC.

Immunsystem „sich selbst im Weg“

Das menschliche Immunsystem umfasst ein breites Arsenal von Zellen und anderen Verteidigungsmechanismen, die sich gegenseitig beeinflussen. In der aktuellen Studie lag der Fokus auf sogenannten myeloiden Zellen, zu denen auch Neutrophile und Monozyten gehören. Das sind Immunzellen, die sehr früh zur Abwehr von Infektionen mobilisiert werden. Sie beeinflussen zudem die spätere Bildung von Antikörpern und anderen Zellen, die zur Immunität beitragen. Bei schweren Fällen von Covid-19, konstatierten die AutorInnen der CELL-Publikation, seien Neutrophile und Monozyten zwar zum Teil aktiviert, aber auch in ihrer Funktion gestört. Es fänden sich deutlich mehr unreife Zellen, die eher hemmend auf die Immunreaktion wirkten. „Es spricht vieles dafür, dass sich das Immunsystem bei schweren Covid-19-Verläufen gewissermaßen selbst im Wege steht“, sagt Prof. Sander. „Dadurch kommt es womöglich zu einer unzureichenden Immunantwort gegen das Coronavirus, bei gleichzeitiger starker Entzündung im Lungengewebe.“ Medikamente, die auf das Immunsystem einwirken, könnten weiterhelfen. Dies sei allerdings ein Balance-Akt, da es nicht darum ginge, das Immunsystem gänzlich herunterzufahren, sondern nur die unreifen Zellen.

Stärke der Studie: Kooperation und Austausch

Angesichts der vielen Beteiligten betont Prof. Schultze die Zusammenarbeit innerhalb des Forschungskonsortiums: „Die parallele Auswertung zweier unabhängiger Patientenkohorten ist eine der Stärken unserer Studie. Wir haben Patientengruppen von zwei unterschiedlichen Standorten mit verschiedenen Methoden analysiert und konnten so unsere Befunde direkt validieren. Das ist nur möglich, wenn Forschungsdaten offen geteilt werden und man vertrauensvoll kooperiert. Dies ist gerade in der aktuellen Krisensituation enorm wichtig.“

 

Quelle: Die Originalversion dieses Textes erschien als Pressemitteilung auf der Website der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

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