NAPKON: Interview mit Gabriele Anton und Janne Vehreschild

Das Nationale Pandemie Kohorten Netz (NAPKON) ist ein standortübergreifendes Projekt, das Grundlagen für ein besseres Verständnis des Krankheitsverlaufs bei Covid-19 sowie für die Entwicklung von Therapien schafft. NAPKON etabliert ein Netzwerk aus Infrastrukturen und Kohortenplattformen und führt klinische Daten, Bioproben und Bildgebungsdaten für wissenschaftliche Studien zusammen. Es ist eines von 13 durch das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Initiativen. Dr. Gabriele Anton vom Helmholtz Zentrum München ist in die Arbeit am „Bioprobenkern“ von NAPKON maßgeblich involviert – Prof. Dr. Jörg Janne Vehreschild, Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) an den Universitätsklinika Frankfurt und Köln, ist Sprecher des Projektes und zugleich Koordinator des „Interaktionskerns“ sowie der „Sektorenübergreifenden Plattform“. GBN hat mit beiden über das großangelegte Projekt gesprochen.

Was ist das Ziel von NAPKON?

Janne Vehreschild: In NAPKON nehmen wir deutschlandweit Patientinnen und Patienten mit einer Covid-19-Diagnose in eine einheitliche Beobachtung auf. Wir dokumentieren den Verlauf der Akutphase der Erkrankung, die Nachsorge und die Erholung sehr detailliert und sammeln hochqualitative Bioproben für anschließende wissenschaftliche Untersuchungen. Die NAPKON-Kohorte wird als Basis für die weitere Erforschung von Covid-19 dienen – mit Blick auf das klinische Management, die medizinische und ökonomische Folgenabschätzung sowie die Entwicklung von Impfstoffen und Therapien. Außerdem versprechen wir uns von NAPKON, dass es eine gute Plattform sowohl für die Zusammenarbeit der Wissenschaft in Deutschland als auch mit internationalen Partnerinnen und Partnern bietet.

Für welchen Zeitraum ist das Projekt geplant?

Vehreschild: NAPKON ist so angelegt, dass wir innerhalb des Förderzeitraums bis zum 31. März 2021 alle Projektziele erreichen können. Wir hoffen aber, dass wir danach weitermachen können. Zum einen könnten wir in diesem Fall eine deutlich höhere Zahl von Patientinnen und Patienten in der Studie berücksichtigen und sie zum anderen über einen längeren Zeitraum nachbeobachten. Das würde womöglich noch profundere Erkenntnisse erlauben.

Wie werden Proben und Daten erhoben?

Vehreschild: NAPKON gliedert sich in drei Kohortenplattformen. Erstens gibt es die „Sektorenübergreifende Plattform“, in der wir einen detaillierten Datensatz erheben. Verbunden ist dies mit einer einmal wöchentlichen Probennahme bei Patientinnen und Patienten, die in allen Gesundheitssektoren behandelt werden. Zweitens gibt es die „Hochauflösende Plattform“, die einen „Deep-phenotyping-Ansatz“ bei stationären Patientinnen und Patienten in der Universitätsmedizin verfolgt. Dort werden umfassende zusätzliche klinische Untersuchungen durchgeführt: Kernspintomographien verschiedener Organe, standardisierte Herz-Echos, EEGs, Lungenfunktionsprüfungen und weitere Untersuchungen zum funktionalen Status und der Neurologie. Und drittens haben wir die „Populationsbasierte Plattform“: Hier geht es um die langfristige Nachverfolgung von ehemaligen Patientinnen und Patienten mit einer Covid-19-Infektion.

Was beinhaltet der „Bioprobenkern“ von NAPKON?

Gabriele Anton: In allen drei Kohorten an allen Standorten werden Bioproben gleicher Art und nach gleichen Standards abgenommen. Auf diese Weise entsteht ein Pool von Proben vergleichbarer Qualität, die sich beispielsweise auch für standortübergreifende Projekte hervorragend eignen. Wir haben die Probenarten so ausgewählt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damit ganz unterschiedliche Untersuchungen durchführen und die gewonnenen Daten vielfältig verknüpfen können. Zum Beispiel sind Multi-Omics-Analysen möglich, da Proben für genetische Analysen, Transkriptom- und Metabolom-Analysen vorliegen.

Wo werden die Proben gelagert?

Anton: Die Lagerung der Proben übernehmen die teilnehmenden Biobanken – sie erfolgt also dezentral. Werden Proben für ein Forschungsprojekt benötigt, muss der jeweilige Standort sie dorthin liefern.

Welche Biobanken werden eingebunden? Wie müssen diese aufgestellt sein?

Anton: An vielen Standorten der Universitätsmedizin gibt es sehr professionell arbeitende, zentrale Biobanken. Wir würden es begrüßen, wenn die Bioprobenabnahme und -verarbeitung in ihren Händen läge und nicht neue Biobanken für NAPKON aufgebaut oder kleinere Teil-Biobanken dafür verwendet würden. Die Teilnahme bei NAPKON erfordert auch einen gewissen Standard. So sollten die Biobanken 2D-barcodierte Tubes für die Aliquote verwenden und die entsprechenden Scanner dafür vorhalten. Darüber hinaus müssen sie über genügend -80 Grad-Lagergeräte verfügen und auch eine Lagerung in Stickstofftanks ermöglichen. Diese sind für die generierten PBMCs notwendig, da sie nicht allzu lange bei -80 Grad aufbewahrt werden können. Alle Lagergeräte müssen außerdem temperaturüberwacht und an ein automatisches Alarmsystem angeschlossen sein, so dass Proben keinesfalls verloren gehen. All diese Dinge besprechen wir natürlich mit den Biobanken und beraten, wenn es Probleme gibt.

Welche Vergütung erhalten die teilnehmenden Standorte?

Vehreschild: Alle universitären Standorte erhalten eine sogenannte „Studienausstattung“ mit Personal- und Verbrauchsmitteln sowie benötigten Gerätschaften. Wenn eine bestimmte Anzahl von eingeschlossenen Patientinnen und Patienten erreicht wurde, können die Standorte zusätzliche Aufwandspauschalen anfordern.

Wie erfolgt die Dokumentation der Probendaten?

Anton: Voraussichtlich bis März 2021 verwenden wir dafür das CentraXX des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung als „Übergangslösung“. Das ist das LIMS des DZHK – das Labor-Informations- und Management-System. Im DZHK-CentraXX kann man über den Webbrowser arbeiten; es steht also für jede Biobank schnell und einfach zur Verfügung. Wenn eine teilnehmende Biobank selbst mit CentraXX arbeitet, kann sie auch ihr eigenes System verwenden und über eine Schnittstelle, die die Firma KAIROS in Zusammenarbeit mit der German Biobank Alliance entwickelt, die Daten in das zentrale System hochladen. Wir haben im DZHK-CentraXX die Workflows für NAPKON implementiert, so dass für jede Bioprobe der exakte Ablauf hinterlegt ist. Das betrifft zum Beispiel die Zentrifugationsbedingungen, die Anzahl der Aliquote sowie einzugebende Daten, beispielsweise ob abgenommener Urin Blut enthält oder nicht. Das ist alles hinterlegt und kann sehr einfach abgearbeitet werden. Ab nächstem Frühjahr soll die Dokumentation über die Strukturen der Medizininformatik-Initiative erfolgen.

Werden auch bereits bestehende SARS-CoV-2-Sammlungen eingebracht?

Vehreschild: Zum Thema Covid-19 wird umfassend geforscht und dementsprechend gibt es bereits viele Datenbanken und Bioprobensammlungen. Damit wir diese wertvollen Ressourcen aufnehmen können, haben wir in NAPKON einen „Integrationskern“ geschaffen, der die Organisation und das Prozedere unterstützt.

Wer entscheidet über die Weitergabe von Proben und Daten?

Vehreschild: Zwei Drittel der gesammelten Bioproben und Daten „gehören“ dem Netzwerk Universitätsmedizin, ein Drittel steht am jeweiligen Standort zur Verfügung. Dessen ungeachtet entscheidet ein Use-and-Access-Komitee über die Weitergabe aller Proben und Daten. Das Use&Access-Komitee besteht hauptsächlich aus Repräsentanten des Fachbeirates, die von der Vollversammlung der Standorte gewählt werden, unterstützt von Vertreterinnen und Vertretern des Lenkungsausschusses und des Bioprobenkerns. Der Fachbeirat bildet sich wiederum aus den gewählten Sprecherinnen und Sprechern der Fach- und Organspezifischen Arbeitsgruppen (FOSA). Ein Nutzungsantrag – den übrigens jeder stellen kann, ob Netzwerkmitglied oder nicht – wird zunächst dem Fachbeirat und einem externen Advisory Board vorgelegt. Anschließend trifft das Use&Access-Komitee auf Basis der erhaltenen Empfehlungen eine Entscheidung.

Das Interview führte Verena Huth.

Zur NAPKON-Präsenz auf der GBN-Website.
Zur Website des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM).
 

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